01.06.20 Interview der Woche
Der 23-jährige Mittelfeldspieler Christopher Martins hat nur den luxemburgischen Pass, ist aber auch stolz auf die Kapverden, sein Herkunftsland. Bei YB fühlt er sich überaus wohl - und manchmal bekommt er Ratschläge von Gelson Fernandes.

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"Ich mag die englischen Wochen"


Christopher, am 19. Juni gehts mit der Meisterschaft weiter. Was hat der Entscheid vom vergangenen Freitag bei Dir ausgelöst?
Freude! Wir alle warteten seit langer Zeit auf Klarheit, die haben wir jetzt endlich. Ich bin glücklich darüber, dass es mit Spielen weitergeht.

Der Sommer wird nicht aus Ferien, dafür aus vielen Partien bestehen.
Wir hatten in den vergangenen Wochen ja quasi unsere Ferien... (lacht) Zwei Monate daheim, das reicht. Und es war auch nicht immer einfach. Meine Familie lebt in Luxemburg, ich konnte sie natürlich nicht besuchen. Darum freue ich mich umso mehr, wenn nun so etwas wie Normalität zurückkehrt.

Hast Du während der langen Zeit ohne Wettkämpfe ein neues Hobby entdeckt?
Ich konnte schon vor der Pause ganz ordentlich kochen. Im Internet suchte ich ein paar neue Rezepte, probierte sie umzusetzen und darf nun sagen: Es gelang ziemlich gut.

Das heisst: Du bist als Koch ein Talent.
(strahlt) Wer weiss!

Was isst Du am liebsten?
Gerichte von den Kapverdischen Inseln. Aber ich tue mich noch schwer, sie selber zu kochen, sie sind nicht unkompliziert. Ich muss warten, bis meine Mutter zu Besuch kommt.

Was liegt bei Dir oft auf dem Teller?
Poulet mit Reis und viel verschiedenes Gemüse. Ein Klassiker, den ich gut hinbekomme und auch schon Kollegen wie Moumi Ngamaleu und Ali Camara serviert habe. Ich lege Wert auf gesunde Ernährung.


Martins am Ball, beobachtet von Basels Ademi.

Das zahlt sich besonders dann aus, wenn es darum geht, ein anstrengendes Programm wie in den kommenden Monaten zu bewältigen.
Absolut. Aber Energie dürfte genügend vorhanden sein, bei allen in unserem Team. Wir sind körperlich und mental in einer starken Verfassung. Wichtig ist einfach, so schnell wie möglich den Rhythmus zu finden.

Bist Du als Mittelfeldspieler noch stärker gefordert, weil läuferische Qualitäten besonders gefragt sind?
Nein, das glaube ich nicht. Auf uns alle kommt eine grosse Herausforderung zu. Und jeder Spieler muss seinen Teil dazu beitragen, dass wir als Mannschaft Erfolg haben können. Es geht um Teamwork. Und das ist eine Stärke von YB.

Du bist auf dem Feld ständig unterwegs und einer der fleissigsten Arbeiter. Wirst Du nie müde?
Es ist meine Aufgabe, viel zu rennen, Löcher zu stopfen, zu verteidigen, den anderen zu helfen. Aber natürlich werde ich auch einmal müde. Obwohl es mir sehr gefällt, alle drei Tage eine Partie bestreiten zu können. Ich mag die englischen Wochen.

Du bist Luxemburger mit kapverdischen Wurzeln. Was verbindet Dich mit den Kapverden?
Meine Familie. Die Eltern leben zwar in Luxemburg, aber unser Herkunftsland sind und bleiben die Kapverden. Ich war zwar erst einmal da, aber es gibt eine Verbundenheit, obwohl ich in Luxemburg zur Welt kam und auch nur den luxemburgischen Pass besitze. Ich bin stolz auf die Kapverden, und ich bin gleichzeitig froh, dass ich die vielen Vorzüge von Luxemburg geniessen durfte, zum Beispiel die Schule in einem kleinen Land, das bestens funktioniert.

Wie erklärst Du einem Fremden Luxemburg?
Ich sage ihm: Luxemburg ist die kleine Schweiz. Das Leben ist sehr angenehm, ruhig, das Land bietet eine tadellose Infrastruktur, die Ausbildungsmöglichkeiten sind sehr gut.

Wie steht es um den Fussball?
Er entwickelt sich immer mehr, er wird kontinuierlich besser. Zuletzt zog Dudelange zweimal in die Gruppenphase der Europa League ein. Das zeigt, dass sich etwas tut. Und viele Spieler der Nationalmannschaft stehen mittlerweile im Ausland unter Vertrag.

Stichwort Nationalmannschaft: Du wirst Deine Schweizer Kollegen zwischendurch sicher  genüsslich an 2008 erinnern…
…an unseren 2:1-Sieg in Zürich gegen die Schweiz? Ich sass vor dem Fernseher und freute mich natürlich wahnsinnig. Jeff Strasser und Alphonse Leweck erzielten die Tore. Aber deswegen ziehe ich keinen Schweizer Kollegen auf, weil es dazu keinen Grund gibt. Die Schweiz ist uns immer noch deutlich voraus.

Wer ist für Dich der beste luxemburgische Fussballer der Geschichte?
Schwer zu sagen. Wir haben einige gute, und Jeff Strasser gehört sicher zu den Besten.

Hast Du Dir vorgenommen, der Beste der Geschichte zu werden?
Ich würde das nicht als Ziel von mir formulieren. Mein Bestreben ist es vielmehr, meinen Anteil zu leisten, damit der luxemburgische Fussball weiterkommt.

Du hast bislang bereits 38 Länderspiele bestritten. An welches denkst Du besonders gern zurück?
An das 0:0 gegen Frankreich in der WM-Qualifikation 2018. Wir lieferten gegen den späteren Weltmeister wirklich eine starke Leistung ab.


Chris Martins wurde bei Olympique Lyon ausgebildet.

Und welchen Match würdest Du am liebsten aus dem Gedächtnis streichen?
Es gab Rückschläge und schwierige Momente, aber ich möchte kein Erlebnis löschen. Weil ich von jedem Match profitieren konnte, selbst wenn er nicht erfolgreich für uns endete.

Du bist als Junior bei Olympique Lyon ausgebildet worden. Was hast Du dort vor allem gelernt?
Zum einen sehr viel in technischer und taktischer Hinsicht, zum andern die professionelle Einstellung, die nötige Disziplin, den Willen, mich durchzusetzen. Du bekommst als Junger alle Schlüssel, aber dann liegt es an jedem Einzelnen, damit die richtigen Türen zu öffnen. Was ich damit sagen will: Am Ende ist es am Spieler, was er mit dem Werkzeug macht, das ihm zur Verfügung gestellt wird. Lyon hat eine hervorragende Nachwuchsförderung, und Jahr für Jahr träumen Dutzende Junge davon, den Durchbruch zu schaffen. Und alle, die einen Platz in der Akademie bekommen, sind richtig gute Fussballer. Am Ende setzen sich jene durch, die bereit sind, bedingungslos zu arbeiten. Und die das nötige Glück haben.

Du bist einer von denen, die es zum Profi gebracht haben. Was war das Entscheidende?
Ich wusste immer, was ich wollte und verfolgte das Ziel mit aller Entschlossenheit. Gewiss war es auch so, dass mir das Glück beistand. Ich würde nicht behaupten, dass mir der grosse Durchbruch bereits gelungen ist, aber ich bin auf einem guten Weg.

Hattest Du schon als Kind den Wunsch, Berufsfussballer zu werden?
Es gab für mich im Prinzip nie eine andere Option. Ich war als kleiner Junge ständig draussen mit einem Ball, was meiner Mutter nicht immer gefiel, weil sie sich um meine schulischen Leistungen sorgte. Aber sie sah auch, welche Leidenschaft ich für den Fussball aufbrachte und wie seriös ich als Sportler arbeitete. Sie unterstützte mich enorm auf meinem Weg, sie tut das heute noch, und jetzt ist sie natürlich auch stolz auf meinen Werdegang. Das ist auch mein Vater: Er war bei meinen Spielen in Luxemburg fast immer dabei.

Wer war Dein Held Deiner Jugend?
Ronaldinho.

Und welchen Klub mochtest Du besonders?
Bayern München. In Luxemburg konnte ich regelmässig die Bundesligaspiele schauen. Heute bezeichne ich mich nicht mehr als Fan der Bayern. Ich mag einfach schönen Fussball, wie ihn viele Mannschaften auf der Welt zeigen.

In Luxemburg nennen Dich alle «Kiki». Woher kommt der Spitzname?
Mein erster Juniorentrainer rief mich eines Tages «Kiki», warum auch immer. Den Namen habe ich behalten. In Bern bin ich für die meisten Chris.


Auch Spass muss sein: Martins und Moumi Ngamaleu im Trainingslager in Belek Anfang Jahr.

Was wusstest Du vor Deinem Wechsel zu YB über die Super League?
Nicht allzu viel. Aber ich unterhielt mich mit meinem luxemburgischen Landsmann Mario Mutsch, der bei St. Gallen und Sion unter Vertrag stand. Er wusste viel Positives zu berichten. Zudem wusste ich, dass Guillaume Hoarau bei YB spielt und das seit Längerem. Das war für mich ebenfalls ein gutes Zeichen.

Wie ist denn nun das Leben in Bern?
Ausgezeichnet. Eine schöne Stadt, nette, respektvolle Menschen, tolle Fans, die immer hinter uns stehen - ich fühle mich sehr wohl hier, ein bisschen wie daheim in Luxemburg. Und das fussballerische Niveau überzeugt mich auch.

Was ist YB für Dich?
Der Meister! YB ist ein Club, der eine klare Strategie und grosse Ambitionen hat. Das gefiel mir in den offenen Gesprächen, die ich vor dem Transfer mit den Verantwortlichen führte.

Du hast den Vorteil, dass Du perfekt Deutsch sprichst und kein Kommunikationsproblem hast.
Ich weiss nicht, ob mein Deutsch perfekt ist, aber es ist gut genug, um alles zu verstehen.

Wie steht es um Dein Schweizerdeutsch?
Puh, kompliziert! Die Schweizer müssen schon langsam miteinander reden, damit ich folgen kann. Sobald sie schnell sprechen, habe ich keine Chance.

Wie sieht Dein Karriereplan aus? Von welcher Liga träumst Du?
Wie gesagt war die Bundesliga die Liga, die ich in jungen Jahren intensiv verfolgte. Ich würde nicht von einem Traum sprechen, nach Deutschland zu wechseln, sondern von einem Ziel.

Und dann am besten gleich zum FC Bayern?
Da sage ich natürlich nicht nein! Aber derzeit denke ich nicht an einen Weggang aus Bern. Meine ganze Aufmerksamkeit gehört YB, ich habe einen Vertrag bis 2023.

Der frühere Schweizer Nationalspieler Gelson Fernandes hat auch kapverdische Wurzeln. Hast Du mit ihm Kontakt?
Ja, regelmässig, vor allem seit meinem Wechsel in die Schweiz. Er gibt mir immer wieder Tipps, manchmal schickt er mir auch Videosequenzen, in denen er mir aufzeigt, was ich besser hätte machen können. Von diesem Austausch profitiere ich enorm.


Christopher Martins im Spiel gegen Basel Ende Januar 2020.

Zum Abschluss möchten wir von Dir hören, wer für Dich der beste Mittelfeldspieler der Welt ist.
Vor ein paar Jahren waren das für mich zwei: Sergio Busquets und Toni Kroos. Heute schaue ich sehr gerne Tanguy Ndombele zu, den ich aus Lyon kenne und der bei Tottenham spielt. Aber es gibt auch viele andere, Paul Pogba, um nur einen von ihnen zu nennen.

Wer ist der beste Fussballer überhaupt?
Lionel Messi. Auch da gilt: Es gibt enorm viele überragende Spieler neben Messi, wie etwa Neymar.

Die beste Liga der Welt?
Die englische Premier League. Und die deutsche Bundesliga.

Wer ist der grösste Spassvogel bei YB?
Moumi Ngamaleu!

Und welches ist für Dich der schönste Ort der Welt?
Rodange, mein Zuhause in Luxemburg.

[pd][sst]


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