06.04.20 Interview der Woche
Frederik Sörensen, der am 14. April seinen 28. Geburtstag feiert, ist von Köln an YB ausgeliehen - und nach einer Knie-Operation im Januar wieder einsatzbereit. Offen ist seine Zukunft ab Sommer. Dafür ist klar, wer für ihn die weltbesten Innenverteidiger sind.

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"Virgil van Dijk und Sergio Ramos imponieren mir"

Wenn Du Journalist wärst, wie würdest Du den Fussballer Frederik Sörensen beschreiben?
Eine schöne Frage… Ich würde schreiben, dass er ein Spieler ist, der immer Vollgas gibt, mit hundert Prozent bei der Sache ist und versucht, die Mannschaft mitzureissen.

Bist Du auch neben dem Platz einer, der ständig aufs Tempo drückt?
Nicht unbedingt. In der Kabine bin ich eher ruhig. Es besteht schon ein Unterschied zwischen dem Spieler Sörensen und dem Menschen Sörensen. Auf dem Rasen kann ich manchmal sehr unangenehm sein, aber im Privaten bin ich das überhaupt nicht.

Wie sehr haben Eure Zwillingstöchter Dein Leben verändert?
Ruhiger ist es nicht geworden. Sie sind jetzt zehn Monate und haben angefangen zu krabbeln. Sie halten uns Eltern ziemlich auf Trab, von 7 bis 21 Uhr herrscht Betrieb. Seit die zwei da sind, ist natürlich vieles anders. Rund um die Uhr bestimmen sie unsere Gedanken, wir hoffen, dass es ihnen an nichts fehlt. Wir tragen eine grosse Verantwortung und wollen nur das Beste für unsere Zwillinge. Wenn es ihnen gut geht, geht es auch uns gut. Wenn ich nach einem Training oder Spiel einmal mit nicht so guter Laune nach Hause komme und die beiden mich anlachen, ist die Welt wieder in Ordnung. Was gibt es Schöneres?


Sörensen im Duell mit Sions Uldrikis.

Mit 18 hast Du Deine Heimat Dänemark verlassen. Hattest Du nie Heimweh?
Doch. Ich vermisse meine Eltern, meine Familie schon, auch die Stadt Kopenhagen. Aber ich wusste früh: Wenn ich auf hohem Niveau spielen will, muss ich bereit sein, loszulassen. Jetzt bin ich bald zehn Jahre im Ausland und habe mich daran gewöhnt, nicht mehr in Dänemark zu leben. Ich ging als Teenager und bin ausserhalb meiner Heimat erwachsen geworden. Aber ich habe natürlich immer noch Kontakte zu meinen dänischen Freunden.

Welchen Berufswunsch hattest Du als Kind?
Ich träumte davon, bei der Polizei zu arbeiten.

Und plötzlich stehst Du im Herbst 2010 bei Juventus als noch unbekannter Junger an der Seite lauter klangvoller Namen auf dem Rasen. Kam Dir nicht alles etwas zu gross vor?
Ich habe das nicht als zu gross wahrgenommen, aber das lag wohl auch daran, dass ich mir nicht zu viele Gedanken machte, sondern unbeschwert an die Sache heranging. Und in der Kabine bekam ich anfänglich, auch aus sprachlichen Gründen, nicht überaus viel mit. Nach einem intensiven Italienischkurs während sechs Monaten sah das dann anders aus.

Wie verhielt sich zum Beispiel ein Alessandro Del Piero Dir gegenüber?
Wunderbar! Ich sass in der Kabine neben ihm, und er half mir immer wieder, indem er zum Beispiel sagte: «Mach einfach dein Spiel, du bist hier, weil du gut bist.» Das motiviert natürlich. Oder Mohamed Sissoko war einer, mit dem ich mich gut verstand. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die grössten Spieler sich ganz normal verhalten und zugänglich sind.

Von welchem Verteidiger hast Du am meisten gelernt?
Giorgio Chiellini ist da zu nennen, aber auch von Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli konnte ich viel profitieren. Sie bildeten dann ein legendäres Trio bei Juve. Und wenn ein Junger mit denen jeden Tag trainieren darf, kann er nur lernen. Es ist beeindruckend, wie professionell sie arbeiten. Mich hat das inspiriert und dazu animiert, ebenfalls im täglichen Training immer das Maximum zu geben. Und Chiellini ist auch deshalb bewundernswert, weil er neben seinem Job als Fussballer ein Studium mit dem Master abgeschlossen hat.


YB - St. Gallen: Sörensen jubelt mit Torschütze Zesiger und Fassnacht.

Du hast fünf Jahre in Italien verbracht. Was imponiert Dir an den Menschen?
Das Emotionale, das Warmherzige, ihr ausgeprägter Familiensinn, ihr Lebensstil. Davon hört man zwar vielleicht, aber richtig mitbekommen kann man es nur, wenn man auch in Italien lebt. Und ich habe das erst recht mitgekriegt durch meine Partnerin, die aus Bologna stammt.

Nun wird Italien von der Coronakrise besonders heftig erschüttert.
Es ist sehr hart. Wir leiden natürlich mit den Menschen und haben täglich Kontakt mit Leuten in Bologna. Sie müssen seit Wochen in ihren eigenen vier Wänden bleiben und dürfen höchstens zum Einkaufen das Haus verlassen. Da sind wir in der Schweiz immer noch privilegiert. Wir dürfen immerhin noch zum Spazieren oder Joggen nach draussen.

Du lebst seit vergangenem August in Bern. Erinnert Dich die Schweiz ein bisschen an Dänemark?
Es gibt schon ein paar Parallelen, zum Beispiel in Sachen Infrastruktur. Und die Mentalität ist auch ähnlich. Für einen Dänen ist es nicht so schwierig, sich in der Schweiz zurechtzufinden. Die Leute hier wirken auf mich unaufgeregt wie in Dänemark. Und Bern ist irgendwie untypisch für eine Landeshauptstadt. Es ist beschaulich, ruhig, gemütlich. Für uns als junge Eltern ist das sehr cool.

Du bist im Januar am Knie operiert worden. Wie steht es um Deine Gesundheit und Fitness?
Sehr gut. Ich bin seit dem Unterbruch wieder einsatzfähig.

Und jetzt musst Du wie alle anderen seit geraumer Zeit allein trainieren. Wie ist das?
Natürlich fehlen die Einheiten mit der Mannschaft, aber im Moment haben fast alle Menschen auf der Welt mit Einschränkungen zu leben. Jetzt verlassen wir so wenig wie möglich das Haus, reduzieren die sozialen Kontakte auf ein Minimum und hoffen, dass die Krise bald überwunden ist - und dass vor allem auch die kleinen Geschäfte, die es so hart trifft, überleben werden.

Du bist als A-Junior zum Innenverteidiger umfunktioniert worden. Wer war damals Dein Vorbild?
Da gab es zwei: Rio Ferdinand und Nemanja Vidic von meiner Lieblingsmannschaft Manchester United. Sie haben sich extrem gut ergänzt. Wenn einer von ihnen noch einen linken Fuss wie Paolo Maldini gehabt hätte, wären sie perfekt gewesen. (lacht)

Wer ist heute der weltbeste Innenverteidiger?
Ich finde Virgil van Dijk vom FC Liverpool überragend mit seiner Ausstrahlung und Ruhe. Aber auch Sergio Ramos imponiert mir. Er geht immer voran, erzielt viele Tore und ist seit Jahren eine Konstante bei Real Madrid.


Beinahe wäre Frederik Sörensen im Herbst gegen Basel kurz vor Schluss das Siegestor gelungen.

Wenn Du mit einer blitzsauberen Grätsche ein Gegentor verhindern kannst, gibt Dir das ein ähnliches Glücksgefühl wie ein Treffer, den Du erzielst?
Meine Hauptaufgabe besteht als Verteidiger darin, Gegentore zu verhindern. Es ist, würde ich sagen, so etwas wie ein halber Assist, wenn ich mit einer Abwehraktion den Gegner vom erfolgreichen Abschluss abbringen kann. Das ist schon ein tolles Gefühl. Aber noch schöner ist es, ein wichtiges Tor zu erzielen.

Kölns Sportdirektor Horst Heldt sagte neulich in einem Interview: «Ich finde Frederik richtig gut, er ist ein richtiger Schrank.» Was löst ein solches Lob bei Dir aus?
Es ist schön, solche Worte zu hören. Das bestätigt mir, dass ich einiges richtig mache.

Wie geht es mit Dir im Sommer weiter?
Das ist noch offen. Ich habe in Köln noch einen Vertrag bis 2021.

Ist es denkbar, dass Du bei YB bleibst?
Ich bin mit Sportchef Christoph Spycher in einem regelmässigen Austausch. Es ist für alle Vereine schwierig, die Zukunft zu planen, weil sie nicht wissen, wann und wie der Betrieb wieder aufgenommen werden kann, oder wie viel Geld zur Verfügung steht. Ich hoffe, dass die Meisterschaft zu Ende gespielt werden kann. Ich möchte mit YB den Titel verteidigen und im Cup so weit wie möglich kommen.


Erstes Tor für YB: Sörensen freut sich nach seinem Cup-Treffer gegen Zürich.

Zum Schluss noch ein paar Entweder-oder-Fragen. Serie A oder Bundesliga?
Beides sind tolle Ligen. Bei der Bundesliga stimmt das Gesamtpaket. Die Serie A hat in den letzten Jahren aufgeholt, es gibt viele überragende Spieler, ein offenes Rennen um den Titel und Mannschaften wie Atalanta Bergamo, die erfrischenden Fussball bieten.

Strand oder Schnee?
Ich muss Strand sagen, weil ich nicht Skifahren darf. (lacht)

Messi oder Ronaldo?
Natürlich sind beide absolute Ausnahmekönner. Aber wenn ich mich auf einen festlegen muss, entscheide ich mich für Ronaldo. Ich habe von Kollegen in Turin mitbekommen, wie hart er jeden Tag arbeitet und welch immensen Hunger er nach all seinen Erfolgen immer noch hat.

3-4-3 oder 4-2-3-1?
3-4-3, und am liebsten spiele ich da halbrechts. Das System lernte ich in Italien schätzen.

Fisch oder Fleisch?
Fleisch. Mit Pasta.

Preben Elkjær Larsen oder Michael Laudrup?
Michael Laudrup. Er hat eine grossartige Karriere hingelegt, er war bei Juventus, Real Madrid, Barcelona, feierte wahnsinnig viele Erfolge - ich kann vor ihm nur den Hut ziehen.

[pd][sst]


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